Arbeitsmoral

Arbeitsmoral

Ich bin krank. Habe mir eine Erkältung aufgehalst. Dritter Tag, fühle mich matschig, der Husten tut weh, die Nase ist wund. Grund genug also, mal halblang zu machen. Außerdem gibt es nichts, was mich gerade zwingt, kann alles warten.
Nur: Heute ist Montag!

Warum denke ich in einem fort darüber nach, wie ich heute noch was schaffen könnte?
Warum nehme ich mich nicht in den Arm und gönne mir einen Tag frei?

Weil es da eine Stimme gibt, die von mir fordert, immer was zu schaffen. Diese Stimme entspringt der protestantischen Arbeitsmoral, die man kurz mit „erst die Arbeit und dann…“ zusammenfassen kann, ein wohlbekannter Satz, der es ja auch schon zum Titel eines Kinofilms gebracht hat.

Eigentlich heißt das Ding „protestantische Arbeitsethik“, aber das stimmt nicht. Eine Ethik setzt keine Imperative, eine Moral sehr wohl. Und genau diese Moral ist es, die mich auch heute früh steuert.

Obwohl ich selbstständig bin und mir kein Chef und kein Irgendwer sagen kann, was ich zu tun habe, würde ich mich dennoch besser fühlen, wenn ich heute noch was reißen würde. Irgendwas.

Das ist doch krank, „Hauptsache produktiv, egal, wie du dich fühlst, egal was dabei rauskommt.“

Wie wäre es stattdessen mit:

 „Was ich heut nicht kann besorgen, mach ich morgen.“

Klingt das nicht toll? Vorbei die Hetze. Ich darf wieder Mensch sein, darf mir die Arbeit einteilen, bin wieder mein eigener Herr. Ein Traum.

Und dann habe ich auch wieder die Spannkraft, richtig reinzuhauen, wenn was tatsächlich dringend oder wichtig ist.