Handarbeit

Handarbeit

Wir sagen:“ Ich muss da noch ne Schraube reindrehen“, tatsächlich setzen wir nur einen Akkuschrauber an, der die Arbeit für uns macht.
Wir sagen:“ Ich muss noch rasenmähen“, tatsächlich schieben wir nur einen Mäher übers Grün.
Wir sagen:“ Ich spalte noch eine Runde Holz“, tatsächlich füttern wir eine hydraulische Maschine, die einen Keil in die Baumscheibe treibt.

Drei Beispiele die zeigen, dass wir die eigentliche Arbeit gar nicht mehr machen, auch, wenn wir das, was wir machen, noch so nennen. Stattdessen haben wir Maschinen, die wir nur noch bedienen brauchen. Das macht die Arbeit leichter, schneller und das Ergebnis oft sogar akkurater.

Es liegt mir fern, den Fortschritt generell zu kritisieren, genauso aber, ihn generell abzufeiern.

Was nämlich in unserer Fortschrittsgläubigkeit übersehen wird, ist, dass wir für jeden Zugewinn auch immer einen Preis zahlen. Und dieser Preis liegt weniger in den Geräten, die wir anschaffen, unterhalten, reparieren, erneuern müssen, sondern in dem Verfall der Arbeit an sich und damit der Zeit, die wir dafür aufbringen.

Hammer oder Akkuschrauber: Ich habe mal eine Terrasse mangels Strom mit Hammer und Nagel gebaut (siehe „einfach bauen“). Und habe dabei erst bemerkt, was für eine wirkliche Freude es ist, so zu arbeiten. Erstens bist du voll konzentriert, denn alle Ablenkung tut mächtig weh. Zweitens bist du voll fokussiert, sonst wird’s krumm. Und drittens bist du voller Kraft, die du wohl dosiert auf den Nagel schlägst, bis der Kopf mit dem letzten, guten Schlag bündig im Holz versinkt. Wieder und wieder. Und immer besser. Du lernst, wie man einen krummgeschlagenen Nagel doch noch retten kann und das alles mit nichts als einem Holzstock mit Eisen dran.

Gegen diese Freude und am Ende Zufriedenheit ist arbeiten mit einem Akkuschrauber eine schnöde Nummer. Weil: das ist keine Kunst, können alle gleich gut, es gibt kaum Lerneffekte und am meisten hat man mit dem Gerät zu tun, den Wechselakkus, Aufsätzen und passenden Schrauben. Klar ist man am Ende auch zufrieden mit der Arbeit, aber doch eher, dass sie geschafft ist.

Sense oder Rasenmäher: Mein Garten lässt sich nicht mit einem Rasenmäher bearbeiten, zu uneben, zu viele kleine Bäume. Zwei Heidschnucken machen stattdessen einen prima Job, nur hier und da helfe ich mit der Sense nach. Ich bin nicht auf einem Hof groß geworden und habe nie gelernt zu sensen, aber eine Sense habe ich. Die Arbeit damit erlernt sich intuitiv und wie von allein hast du nach kurzer Zeit den Schwung drauf, hackst die Spitze auch nicht mehr in die Erde und wirst körperlich lässig. Denn Sensen geht nicht mit Kraft, geht nur mit Rhythmus. Wie bei der Arbeit mit einem Hammer bist du in unmittelbarer Konzentration und spürst dich ganz.

Wie es dagegen ist, hinter einem Rasenmäher herzuschlurfen, am besten noch im Abgasgeruch und mit Mickeymäusen auf den Ohren, brauche ich niemandem zu erzählen. Bleibt die Frage, ob ein Rasen tatsächlich gleichmäßig kurz sein muss – denn das ist ja das einzige, was der Mäher besser kann als die Sense.

Spalter oder Axt: Mal half ich einem Freund, sein Brennholz kleinzukriegen: Zu dritt fütterten wir die Maschine, stumm und mit Ohrenschützern auf, waren voll konzentriert, weil sonst deine Finger schneller ab sind, als du gucken kannst und am Ende platt. Klar hatten wir eine Menge geschafft, Spaß hatte es aber nicht gemacht.

Die Arbeit mit der Axt ist dagegen eine Mischung aus Konzentration, Kraft und Hingabe und wie bei Hammer und Sense: Du bist der Chef. Nicht die Maschine. Denn tatsächlich dominiert dich der Spalter und wenn du seinen Vorgaben nicht gehorchst, bringst du dich in Gefahr. Die Kunst mit der Axt hingegen ist, sie so einzusetzen, dass sie dir gehorcht. Wenn du das schaffst, bist du abends zwar auch platt, aber anders, weil stolz. Auf dich. Und das hast du dir verdient. Und dies Bier schmeckt mal so richtig.

Wie schon oben erwähnt, geht es mir nicht darum, generell den Fortschritt oder die Arbeit mit Maschinen zu kritisieren. Nicht zuletzt arbeite ich auch mit einem Akkuschrauber und zwar gern, weil das Ding wirklich nützlich ist.

Aber eines habe ich verstanden: Wenn du mit der Hand arbeitest, kommst du wie von allein zu dir und machst die Arbeit in voller Präsenz. Sobald du aber zur Maschine greifst, geht es vor allem darum, die Arbeit möglichst effektiv fertig zu kriegen. Der Unterschied könnte nicht größer sein.

Wenn du also was wegschaffen willst, egal wie, bediene dich des Fortschritts.

Wenn du dich aber fühlen willst,
wenn du mal wieder richtig arbeiten willst,
wenn du wissen willst, wie das Leben früher war,
und du dich mit tausend Jahren Menschheit verbinden willst,
dann nimm Hammer, Sense und Axt.