einfach bauen

Einfach bauen

Willst du was bauen, beginnt alles mit einer Idee. Sagen wir für ein Regal. Du misst und denkst und rechnest, läufst am Samstagvormittag in einen Baumarkt und packst alles auf deiner Liste in den Einkaufswagen. Das eine, wichtige, haben sie natürlich nicht, geht aber auch anders. An der Kasse wunderst du dich über 123,45 Euro, wo doch alles nur Kleckerbeträge sind, naja, summiert sich halt, und fährst nach Haus. Los geht’s. Auf Anhieb versägst du dich, falsch gemessen, Mist. Doch ganz schön kompliziert, das alles. Stress, jetzt nicht noch einen Fehler machen. Kommst nur langsam voran und stellst irgendwann fest, dass du von den Spezialschrauben, die so wichtig sind, weil du es ganz besonders machen willst, zu wenige hast. Blick auf die Uhr. Baumarkt zu. Ende der Baustelle. Ok, nächstes Wochenende. Eine Woche lebst du Baustelle, lohnt ja noch nicht aufzuräumen. Samstag ist aber Geburtstag bei Horst. Noch ne Woche. Mittlerweile nervt dich deine Baustelle, die Sägespäne verteilen sich immer gleichmäßiger in der Wohnung. Irgendwie kriegst du das Ding dann doch fertig, bist aber nicht wirklich zufrieden und freust dich am Ende auf Sparflamme.

Wie schade.

Dass es anders billiger und fröhlicher geht, lernte ich anhand der Terrasse, die man oben im Bild sieht. Vorweg: Der Trick ist, sich nicht zu überlegen, wie etwas aussehen, sondern welche grundlegende Funktion es erfüllen soll.

Ich konnte also von einer Freundin diesen Garten am Rand von Flensburg übernehmen: 800qm groß, verwildert, mit einer schnuckeligen Hütte drauf, in der man sogar schlafen konnte. Ein Traum für unglaubliche 120 Euro im Jahr, vor allem, weil ich zu der Zeit im Stadtzentrum wohnte und vor der Wohnungstür mit Hundehaufen und Bierflaschenscherben zu tun hatte. Ein Stück Erde also zum wohlfühlen, gestalten, durchatmen. Weil nicht klar war, wie lange ich dort sein könnte, fielen teure Bauvorhaben aus.

Aber eine Terrasse vor der Hütte, das wärs doch. Weil alle normalen Konstruktionen von vornherein ausfielen – die Kosten wären schnell vierstellig geworden – brauchte ich in diese Richtung gar nicht erst zu recherchieren. Begann stattdessen ein Auge für Baustellen, Container und Sperrmüll zu entwickeln und ging fortan hintenrum in die Baumärkte, direkt zu den Lagermeistern. „Kann ich mal in euren Müll gucken?“

Die Frage war nicht mehr: Wie soll die Terrasse werden? Sondern: Was brauchst du tatsächlich? Einen Boden und ein Dach. Woraus kann man einen Boden und ein Dach bauen? Ich sammelte also alles ein: Palletten, Kanthölzer, Bretter und Latten und war erstaunt, was alles weggeworfen wird. Sogar drei LKW-Gurte fand ich, die später eine entscheidende Funktion bekommen sollten. Zugegeben, mein Laster, ein alter Sechstonner, den ich für die Seegrasernte brauche, war die entscheidende Hilfe, denn auf die vier Meter lange Ladefläche konnte ich alles packen, was es gab. Und so einen Laster hat man normal nicht. Erster Tipp also: Wenn du Baumaterial containerst, brauchst du ein Vehikel, mit dem du direkt alles abfahren kannst. Weitere Tipps am Ende dieses Textes.

Am Ende des Winters, lag auf dem Rasen eine beachtliche Auswahl verschiedenster Bauhölzer. Ich wollte gleich anfangen, stellte fest, dass ich weder Strom noch eine brauchbare Säge hatte und fing trotzdem an. Mit einem Vorschlaghammer und kapitalen Nägeln.

Was dann kam, war eine Offenbarung und ist am besten vergleichbar mit Kindern, die mit Lego bauen. Man breitet alles aus, guckt, was man hat, denkt sich z.B. „ein Haus“ und schon geht es los. Es ist schon etwas absurd, dass wir Lego für unsere Kinder preisen, weil es ach so tolle Möglichkeiten bietet, aber verkrampfen, wenn wir selbst nicht exakt unsere Vorstellungen umgesetzt kriegen – siehe oben. Wie ein blödes Kind, das quengelt, weil von den roten Steinen nicht genügend da sind. Bei „mit Lego bauen“ meine ich übrigens die gute alte Tonne voller Steine, nicht die heute favorisierten Systembaukästen mit ewigen Bauanleitungen, die zu nichts taugen, außer aus Kindern spätere IKEA-Freaks zu machen.

Es ging also los. Ich legte die 12 Palletten so aus, dass es passte und unterfütterte sie, weil das Grundstück Gefälle hatte, mit Balken. Mangels Zollstock und Wasserwaage war es egal, ob das alles gerade war, es reichte doch, das später die Gläser nicht umfielen. Die Nägel einzuschlagen, hier und da einen, damit nichts verrutscht, entwickelte sich übrigens zum Highlight. Statt die Arbeit von einem Akkuschrauber machen zu lassen, musste ich mich auf den Punkt konzentrieren, meine Daumen aus dem Weg kriegen und dann Schlag für Schlag das Ding versenken. Und wenn so ein kapitaler Nagel dann sauber und mit dem letzten Schlag bündig im Holz verschwindet, bist du Held. Dein eigener, stiller und zufriedener Held. Nicht nur, weil du seit langem mal wieder deine Kraft spürst, sondern weil du in diesem Moment nichts anderes tust, nichts anderes denkst. Allerbeste Meditation. Weil, wenn du fahrig, gestresst, huschhusch arbeitest, geht’s direkt schief und auf die Finger.

Das Ganze dauerte einen Nachmittag. Am Ende war der Boden fertig, ich glücklich. Jetzt das Dach.

Muss ja nur dicht sein gegen Regen. Was ist also groß und dicht? Ein Segel. Beim zweiten Segelmacher hatte ich Glück. „Da in der Ecke, das kannst du haben. Der Kunde hat ein Neues bekommen und braucht dies nicht mehr.“ Das Ding war kaum zu wuchten, so groß, musste aber mit. Unbedingt. Zerren, schleifen, wuchten. Gewonnen. Im Garten packte ich es aus. Krass: Ein altes Großsegel, wohl 40 Quadratmeter und wie das bei Segeln so ist: mit drei Ecken, in die Ösen eingearbeitet sind, die selbst stärksten Belastungen standhalten. Perfekt sozusagen. Die Hütte und zwei lange Balken reichten, um es auf Höhe zu bringen, die erwähnten LKW-Gurte, die ich im Boden mit fetten Heringen verankerte, brachten es auf Spannung. Fertig.

Nee, noch nicht, weil Segel bauchig geschnitten sind und dieser Bauch so durchhing, dass sich beim nächsten Regen eine Wanne bildete. Das wäre zwar ein revolutionär neuer Schwebepool gewesen, war aber nicht die Absicht. Also schob ich noch drei Balken mit Brettern drunter, die wie T-Stücke aussahen und den Bauch nach oben drückten. Jetzt fertig, und wie.

Der weiße Stoff des Segels machte ein tolles indirektes Licht, die Wölbung ein Gefühl von Kuppelbau und drunter sitzen hatte was Erhabenes. Das war viel besser geworden, als ich es mir vorher hätte ausdenken können.

Merke: Wenn du keinen Plan hast, ist die Chance, dass es besser wird als gedacht, größer. Weil sich eben vieles erst im Lauf der Arbeit ergibt.

Für mich eine Revolution: Die erste Terrasse meines Lebens hatte ich freudvoll versunken in die Arbeit, für vielleicht 50 Euro Kaffeekasse gebaut. Pünktlich zum Frühling saß ich mit Freunden zum Abendbrot. Die Feuertonne wärmte, während ein Regenschauer aufs Dach prasselte. Was ist Glücklichsein? Das.

Zum Schluss noch eine unerwartete Pointe, die die Frage beantwortet, wie windsicher das Ganze denn wohl sein würde. Im Herbst zog „Christian“ übers Land, ein 10-Jahressturm mit Windgeschwindigkeiten jenseits Stärke 12. Rund um Flensburg wurden Böen mit 150 km/h gemessen, mein Garten lag auf einer Anhöhe.

Am nächsten Tag und auf dem Weg zum Garten gab es nur das Geräusch von Motorsägen und das blaue Licht von Einsatzfahrzeugen. In der Nachbarstraße lagen große Bäume in Reihe, wie exekutiert. Und mein Zelt?

Lag flach, niedergemäht wahrscheinlich schon von der ersten Böe. Ja, Mist. Nur: Während überall die Handwerkerautos rumkurvten, Leitern aufgestellt und Schäden begutachtet wurden, stellte ich das Zelt einfach wieder auf. Abends war alles ok.

Wie kommt man an Baumaterialien ran? Beispiel Holz:

Geh dahin, wo es produziert oder verarbeitet wird, also zu Sägewerken, Bautischlereien, Baustellen.

Wenn du zum Baumarkt gehst, geh hintenrum und frag nach dem Lagermeister. Erfahrungsgemäß hat man bei Ketten weniger Erfolg als Einzelunternehmen, weil letztere lockerer sind. Ein Mann, der im Lager einer Kette arbeitete, sagte mal:“ Ich würde dich gern in die Container gucken lassen, aber dann bin ich meinen Job los.“ Dabei wies er auf die Überwachungskameras.

Sei immer höflich und bring deren Ordnung nicht durcheinander. Zeig dem Vorarbeiter, was du mitnimmst und hab immer kleine Scheine auf Tasche, denn eine Kaffeekasse steht überall.

Wenn du zeigst, dass du kein Aso bist, brauchst du bald nicht mehr groß fragen. „Na? Wieder am Bauen?“, sagte irgendwann der Lagermeister eines Baumarktes und winkte mich durch. Denn die finden es selbst absurd, was sie alles wegschmeißen müssen.

Es gibt viele Leute, die das in Ordnung finden. Wenn du auf einen Gefrusteten triffst, der dich als Schnorrer abkanzelt, geht’s du einfach wieder. Hier kannst du nur deine Zeit verschwenden.

Auf Baustellen gehst du nach 16 Uhr. Dann ist die Arbeit getan, die Chefs sind schon weg und der Polier hat nichts gegen einen kleinen Schein auf Tasche. Allerdings musst du schnell sein und schnell wieder weg. Er riskiert gerade seinen Job. Also frag nicht, ob sie dies oder das haben, sondern guck, was rumliegt. Am meisten Erfolg hast du, wenn du ankommst, nachdem der Bauabschnitt fertiggestellt ist. Für Dachlatten z.B., wenn die Pfannen gelegt werden.

Konzentrier dich auf grundlegende Baumaterialien. Davon gibt es viel und vor allem viel Gleiches. Verlier dich nicht in Sachen, die zwar toll, aber kaputt sind.

Mit dabei hast du eine gute Handsäge, einen Hammer, Arbeitshandschuhe und einen Akkuschrauber mit allen Aufsätzen, z.B. um bei Abrissen Nägel rauszukloppen, Schrauben rauszudrehen und Holz auf eine transportable Länge zu kürzen.

Die beste Zeit ist Frühling, weil gebaut und ausgemistet wird. Plötzlich siehst du Container an jeder Ecke.

Solltest du tatsächlich klauen, klau nur, was du wirklich brauchst. Klauen auf Vorrat ist unmoralisch. Und räum nicht alles ab, weil es wirklich arschig ist, eine Baustelle lahmzulegen. Außerdem hinterlässt du verbrannte Erde – schlecht für mich, wenn ich nach dir komme – und sorgst dafür, dass die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt werden. Also Stress auf allen Seiten. Plus: Solltest du erwischt werden, macht es vor Gericht einen ziemlichen Unterschied, ob du glaubhaft den „kleinen Mann“ rüberbringst, der für seinen Kaninchenstall drei Bretter brauchte oder erklären musst, warum du zehn brandneue Heizkörper mitnehmen wolltest. Ob du also eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat begangen hast. Dass ich nie größere Schwierigkeiten hatte, lag sicher daran, dass ich mit der Motivation „mal sehen, was es gibt“ loszog, anstatt mit „sind doch eh alles Bonzen“.

Gutes Gelingen.