Nimm, was du brauchst

Nimm, was du brauchst.

Der Mensch fragt sich ja gern mal, ob er eigentlich noch zu den Tieren gehört, oder längst über ihnen steht. Leider geht er bei der Erörterung meist ebenso erkenntnisorientiert vor wie bei der Frage „nochn Bier?“ Die Antwort steht nämlich vorher schon fest. Beim Bier „ja“, bei der Tierzugehörigkeit „nein“.

Meine Kinder waren jedenfalls sehr aufgebracht, als ich ihnen klarmachte, dass wir von den Affen abstammen, 99% allen Erbgutes mit ihnen teilen und alles Wichtige, von Nasebohren bis Stänkern wie sie handhaben. Klar, hatten sie Recht, dass Affen keine Flugzeuge bauen können. Flugzeuge sind im Leben eines Affen aber bis heute auch nicht entscheidend. Geht auch ohne Flugzeug, so ein Affenleben.

Kindern sei diese Entrüstung zugestanden, sie fangen ja erst an, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Welt zu verstehen. Aber Erwachsene? Nach 200 Jahren Wissenschaft, in denen tausendfach belegt wurde, dass wir weder aus dem Nichts auf die Erde gehopst sind, noch aus einer Rippe geschnitten wurden?

Charles Darwin, dem die Entdeckung der wesentlichen Entwicklungsmechanismen zugesprochen wird, soll mal auf die alles entscheidende Frage, woher denn nun der Antrieb dafür komme, gesagt haben, dass nur Gott das wisse. Womit er schon vor 150 Jahren einen Streit beigelegt hat, der noch heute zwischen Wissenschaftlern und Religionisten geführt wird.

Na klar, bleibt es dabei, dass Tiere die Welt nicht umbauen, neue Materialien erfinden oder zum Mond fliegen. Und es sieht – mittlerweile sogar aus dem Weltall – so aus, dass das einen ziemlichen Unterschied macht. Bei aller Schaffenskraft scheint mir der entscheidende Faktor jedoch ein ganz anderer zu sein.

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist vor allem, dass der Mensch ein ehernes, allem zugrunde liegendes Gesetz ausgehebelt hat.

Ein Löwe nämlich, der gerade eine leckere Gazelle verspeist hat, legt sich satt und zufrieden in den Schatten eines Baumes und macht erstmal: Nichts. Ein Mensch – oder sollte man genauer sagen: ein Mensch unter der Bedingung des Kapitalismus – der satt ist, ist noch lange nicht zufrieden. Noch beim Verdauen denkt er darüber nach, wie er mehr bekommen könnte.

Der Unterschied zwischen Tier und Mensch ist nämlich schlicht, dass sich in der Natur der Stärkere nimmt, was er braucht, der Mensch hingegen alles, was er kriegen kann.