Dünger vom Strand
Warum sind die Marschen an der Nordseeküste so fruchtbar?
Weil sie vom Meer gedüngt wurden.
Denn eigentlich ist die Marsch Geest. Geest ist der karge Boden in der Mitte von Schleswig-Holstein, sandig und flach, da, wo die Autobahn A7 gebaut wurde. Man sagt auch, die Geest sei der karge Rücken von Schleswig-Holstein zwischen zwei Filetstücken, der Marsch an der Nordsee und dem östlichen Hügelland zur Ostsee hin. Früher, so wird erzählt, vermieden es die Bauern der Filetstücke, in die Geest einzuheiraten, weil da kaum was wächst. Die Marsch nun ist nichts als jahrhundertelang von der Nordsee gedüngte Geest. Zwei Mal am Tag. Mit der Flut kamen Schwebstoffe, allerbester Dünger, denn das Leben kommt aus dem Meer. Aus dem gleichen Grund war Ägypten die Kornkammer Afrikas – bis der Assuanstaudamm gebaut wurde und die Flut stoppte.
Quelle: Wikipedia
In einem Fernsehbericht hörte ich 2015, dass die Norweger auf den Lofoten, einer felsigen Inselgruppe weit im Norden, wo es kaum fruchtbaren Mutterboden gibt, Kartoffeln auf Treibsel pflanzen. Treibsel ist alles, was am Strand angespült wird. Also machte ich einen entsprechenden Versuch und siehe da: In nichts als Seegras und Algen wuchsen prächtige Kartoffelpflanzen mit gelbfleischigen, gesunden Früchten und am besten: ohne Unkraut.
Mehr Infos: strand-manufaktur.de/seegras-kartoffeln/
In den letzten vier Jahren ist viel passiert:
Ich belieferte eine Freundin, die ein Restaurant führt, mit Treibsel direkt vom Strand, weil sie ihre Tomaten im eigenen Garten zieht. Ihr Ergebnis: Die Ernte war früher und reichhaltiger als im vergleichbaren Mutterboden.
Eine andere „Kundin“ mit großem Gemüsegarten mulchte mit Treibsel und erzählte, sie habe das Gefühl, die Regenwürmer würden das Substrat quasi einlutschen. Ihr Boden sei lockerer, die Pflanzen sprössen wie wild.
Die Hanseatische Umwelt GmbH des Unternehmers Martin Staemmler in der Nähe von Rostock mischte unter ihre Erden Treibsel und stellte durch Analysen fest, dass sich die Bodenhygiene dadurch verbessere.
Ein Kartoffelwettbewerb, initiiert vom OstseeInfoCenter in Eckernförde, brachte die Schleswig-Holsteiner dazu, Kartoffeln in Treibsel anzubauen. Der Erfolg ging durch die Presse.
Dieses Jahr habe ich Salat, Rotkohl, Zwiebeln und Kräuter in meine Hochbeete gepflanzt. Soweit – wir haben Mai – sieht das gut aus.
Versuche mit Kresse hingegen – der Mimose unter den Pflanzen – zeigen, dass sie anscheinend den Salzgehalt nicht verträgt.
Fazit: Das Grünzeug, das am Strand angespült wird, ist ein hervorragender Dünger. Egal, ob Sie es pur verwenden, einarbeiten oder mulchen: Der Boden wird gedüngt und gelockert, Staunässe bzw. Risse bei Trockenheit reduziert, die Pflanzen gedeihen prächtig.
Wer also an der Ostseeküste wohnt, braucht nicht mehr in einen Gartenmarkt fahren, um sich dort zweifelhaften Dünger in Plastiktüten zu kaufen, sondern holt sich beim nächsten Strandspaziergang, was er braucht. Die Gemeinden freuen sich, denn Aufnahme, Abtransport und Lagerung des Grünzeugs, das die Badegäste stört, reißen empfindliche Löcher in die klammen Kassen. Eine Genehmigung braucht man nicht, für größere Mengen setzt man sich mit dem örtlichen Bauhof in Verbindung.
Übrigens: Neulich stand in der Zeitung, dass die Hanseatische Umwelt GmbH den Rasen auf Schalke mit Treibsel düngt – wenn das keine Referenz ist.