Fortschritt

Fortschritt

Fortschritt lässt sich deswegen so schlecht kritisieren, weil er den Grundregeln der Natur entspricht. Alles entwickelt sich, nichts bleibt, wie es war. In der biologischen Evolution nicht, und auch in der menschlichen Entwicklung nicht. Jede nächste Generation baut auf dem auf, was sie vorfindet und jeder nächste Golf ist ein bisschen schicker, größer, stärker als der vorherige.

So weit, so schwierig.

Sicherlich hätten wir heute eine weniger kritische Haltung zum Fortschritt, wenn er nicht so stark an der Profitmaximierung orientiert wäre. Wenn er auf einer breiteren Grundlage stünde, nämlich der, alle wichtigen Aspekte des Lebens zu berücksichtigen, z.B. Gerechtigkeit oder eine tatsächliche Verbesserung der Lebensumstände.

Seien es Gesetze, die nichts bringen (Mietpreisbremse) oder nur einige Wenige bevorteilen, dafür viele Nebenwirkungen haben (Verlängerung der europäischen Zulassung für Naturvernichtungsmittel).
Seien es Neuentwicklungen, die immense Nachteile mit sich bringen, Beispiel Elektromobilität, die den Stromverbrauch in die Höhe treibt, eine völlig neue Infrastruktur braucht und Autos wesentlich schwerer macht.
Seien es Erfindungen, die zwar Vorteile bringen, uns dafür aber an den Rand des Abgrundes katapultieren, wie die Atomkraft.

Der Mensch zeigt sich bisher einfach als zu doof, um die Komplexität seiner Fortschritte zu begreifen, geschweige denn, den heute alles dominierenden Motor „Kapitalismus“ zum Wohl des Ganzen zu lenken. Da der Mensch zudem immer noch nicht in der Lage ist, seine wesentlichsten Fehler – zum Beispiel die Gier – unter Kontrolle zu kriegen, leben wir mittlerweile auf einem ziemlich angesägten Ast, von dem wir nicht wissen, wann er bricht.

Für die Erde an sich ist das ziemlich wurscht. Die hat schon so viele Katastrophen überstanden, dass sie auch den Homo sapiens sapiens verkraften wird, sofern wir es nicht doch irgendwann schaffen, sie in zwei Teile und damit aus der wärmenden Bahn um die Sonne herum hinaus ins kalte All zu sprengen.

Von außen betrachtet könnte man meinen, der Mensch sei vor allem daran interessiert, die Erde kaputt zu machen. Doch glücklicher Weise sind wir darin planlose Dilettanten. Oder zynisch gesagt: Wenn wir schon unsere Lebensgrundlage mit Eifer zerstören, warum bohren wir dann nicht ein tiefes Loch, stopfen alle Bomben, die wir haben, hinein, zünden und gucken mal, was passiert?

Die Krone der Schöpfung – ja, wir – hat einen entscheidenden Nachteil. So denkend wir auch sein mögen, uns fehlt die Empathie. Das Gefühl fürs Ganze.

Wie es aussieht, wird sich das Bevölkerungswachstum irgendwann umkehren, werden wir mehr Kranke, Tote, Verstümmelte als Nachwuchs „produzieren“.

Es ist doch tatsächlich egal – und ich meine das realistisch, nicht zynisch – ob nun Atombomben, Pandemien oder Bürgerkriege. Ob neue Krankheiten, Unfruchtbarkeit oder Massenunfälle. Wahrscheinlich wird es kein Einzelereignis sein, das uns dezimiert sondern eine Mischung verschiedener Katastrophen, die sich eventuell gegenseitig noch verstärken. Überbevölkerung wird jedenfalls, so glaube ich, absehbar nicht mehr das Problem sein.

Dann werden wir von vielleicht 12 Milliarden Menschen binnen ein, zwei Generationen auf 100 Millionen zurückschrumpfen, die irgendwo abseits – Neuseeland? Norwegen? – überbleiben und ein sehr einfaches Leben ohne große Ansprüche und Infrastruktur führen.

Vielleicht werden sich diese Nachfahren dann nicht mehr als denkend Menschen begreifen sondern als denkend-fühlende.

Blöd nur, dass der Mensch soweit schon mal war, z.B. die Naturvölker, auf die wir gern heruntergucken, weil sie doch so primitiv waren. Wenn primitiv aber bedeutet, „im Einklang mit der Natur“, dann würde ich viel drum geben, es zu sein.