Statistisch glücklich
Wir Schleswig-Holsteiner sind nun zum sechsten Mal in Folge zu den glücklichsten Deutschen gekürt worden, mit weitem Abstand vor den Hamburgern – der Rest tummelt sich auf den Plätzen. (Glücksatlas der Deutschen Post)
Ich hätte ja eher auf die Bayern getippt. Die haben alles – von Vollbeschäftigung über die Alpen bis zu BMW – können vor Kraft kaum laufen und sind so gut drauf, dass sie eigentlich lieber ohne Restdeutschland wären, um noch besserdraufer zu sein.
Solche Wünsche können wir Schleswig-Holsteiner nicht mal denken, denn ohne den Länderfinanzausgleich wären unsere KitasSchulenUnis morgen dicht.
Noch krasser: In den letzten zwanzig Jahren, in denen sich Deutschland über seinen Exportüberschuss eine Position in der Welt erarbeitet hat, die so stark ist, dass selbst die Amerikaner wütend schäumen, in diesen letzten zwanzig Jahren hat Schleswig-Holstein nichts zu diesem Überschuss beigetragen. Äh, moment, ich korrigiere: 2017 wurde von uns erstmals ein Überschuss erwirtschaftet und zwar in Höhe von 1,7 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Ganz Deutschland hat 2017 einen Überschuss von 244 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Wichtigster Handelspartner – vor China und den USA – war übrigens Dänemark.
Ist das nicht herzerwärmend? Umso mehr, wo man doch weiß, dass die Dänen bei uns vor allem Schnaps und Zigaretten kaufen.
Dass Schleswig-Holsteiner nicht besonders produktiv sind, in Ländervergleichen meist unter fernerliefen abschneiden und auch keine Fußballnationalspieler stellen, scheint ihnen jedenfalls nicht aufs Gemüt zu schlagen.
Ok, Geld macht nicht glücklich, Ruhm auch nicht, wussten wir vorher.
Was haben wir dann, was andere Bundesländer nicht haben?
Das Meer von beiden Seiten.
Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das sich geografisch von den anderen abgrenzt, das man also auf den ersten Blick auf einer physischen Europakarte findet und im Atlas nicht erst unter „Deutschland politisch“ suchen muss. Und: Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland das du vom Mond aus erkennen kannst. Und wären wir Bayern, würden wir daraus eine große Nummer machen: „Mia san oben“.
Allerdings gibt’s auch bei uns Ausrutscher, wie die neue Tourismusüberschrift „der echte Norden“, wo man sich fragt, wer sowas textet, und man zu dem Ergebnis kommt: irgendeiner, der nicht kapiert hat, dass „norddeutsch“ vor allem „nicht großkotzig“ bedeutet.
Noch schlimmer übrigens der NordDeutscheRundfunk, der doch tatsächlich „Das Beste am Norden“ sein will und zwar seit Jahren. Auf allen Ü-Wagen, im Netz, überall. Und das ist richtig peinlich. Weil hierarchisches Denken nicht norddeutsch ist. Warum? Weil am Strand alle gleichgroß sind. Da kannst du neben Angela Merkel stehen und die sieht auch nicht mehr als du. Du kannst „norddeutsch“ nicht steigern und schon gar nicht „das Beste am Norden“ sein. Wenn du das meinst, lieber NDR, dann bist du genau das Gegenteil: nicht norddeutsch, sondern schnöde städtisch und in diesem Sinn besserseinwollend.
Wer vom Meer begrenzt wird, will nicht besser sein, hat keine Widersacher, auch keine Grenzsteine – sondern Küste.
Dann kommt erst mal nichts. Und dann ist zuende.
Denn das Meer ist vor allem Horizont.
Der Horizont vom Strand aus betrachtet ist unendlich und gerade.
Ein Ende der Welt.
Und das klärt den Kopf.
Wenn du am Strand stehst und einfach mal nichts siehst als Meer,
dann dauert es nicht lang und dann siehst du nichts mehr.
Dein Bewusstsein geht in „bitte Ruhe“.
Du musst das nur zulassen und gesundest von allein.
Endlich.
Als Schleswig-Holsteiner kannst du den Strand in dein Normalleben integrieren, egal, ob du mit deinem Hund gehst, bei Ostwind nach Bernstein guckst oder Kiter bist.
Dann bist du instant da, wo andere erst hinfahren müssen – in Unmittelbarkeit.
Und zwar wann du willst, wie du willst, ohne Anmeldung, ohne Warteliste, ohne Geld.
Und weil die Bayern auf Platz acht und die Würtemberger auf Platz elf all das eben auch wollen und in den Ferien herkommen, müssen wir keine schicken Autos bauen, sondern machen in Eisbuden, Fischbrötchen, Bootsverleih.Denn tatsächlich verdient bei uns der Strand das Geld. Wir machen nur drumherum. Vielleicht ist es ja das, was uns um irgendwelche Prozentpunkte glücklicher macht.
Und wenns am Ende auch nur „etwas weniger nicht glücklich“ bedeutet, dann sind diese Statistiken immerhin gut für eine sich selbst verwirklichende Prophezeiung: Wir sind also gut drauf, und weil ihr das wisst und auch gut drauf sein wollt, kommt ihr hierher und werdet schon im Elbtunnel fröhlich.